Das Ausscheiden bei den Salomon 4 Trails hat mich schon gewurmt. Ich entschloss mich also spontan, mich zu einem Alternativrennen zu melden: dem heuer erstmals ausgetragenen Südtirol Ultrarace. Die abwechslungsreiche Strecke führt entlang der Sarntaler Hufeisentour und erfordert teils Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und vor allem geistige und körperliche Fitness. Das Rennen erstreckt sich über 121 km und 7.069 hm. Es handelt sich um das längste und anspruchsvollste Rennen in Südtirol. Alleine schon die Lektüre der Routenbeschreibung ist beeindruckend. In gängigen Wanderführern wird die Hufeisentour als Weitwanderung in 7 Tagesetappen empfohlen…
Von den 209 am Waltherplatz gestarteten Athleten haben 61 das Ziel auf den Talerwiesen in Bozen erreicht. Von den 26 Staffeln konnten immerhin 21 finishen. Ich denke, man kann von einem selektiven Rennen sprechen! Um 22:00 Uhr hatte es noch satte 31° C. Vollkommen unerfahren mit (solchen) Nachtrennen habe ich mich nahezu perfekt vorbereitet: aufgestanden um 6:00 Uhr, nachmittags eine halbe Stunde dösen im saunamäßig warmen Hotelzimmer. Nichtsdestotrotz lief ich wie alle Teilnehmer mit dem Startschuss volle Pulle los. Nach Verlassen der Altstadt von Bozen (262 m) beginnt der erste Anstieg auf das Rittnerhorn (2.260 m). Auf ca. 19 km gewinnt man somit 2.000 Höhenmeter. Im Schein der Stirnlampe spiegelte der Wasserdampf. Es war ziemlich schwül. Toll waren die immer wieder an der Strecke wartenden Zuschauer, die uns frenetisch anfeuerten.
Ich erreichte das Rittnerhorn nach 3 3/4 Stunden, wo sich die erste Labestation befand. Beim Leiberlwechseln wurde mir rasch die Höhe und auch die fortgeschrittene Tageszeit bewusst, da mir – obwohl komplett überhitzt – fröstelte. Nach einem Becher warmer Suppe und Auffüllen meiner Trinkflaschen ging es weiter. Es bestand keine Gefahr sich zu verirren, da sich vor mir wie an einer Perlenkette die Lichter der Läufer hinzogen. Hinunter zum Gasteiger Sattel (2.057 m, 22 km) konnte man ordentlich laufen, bevor die Anstiege wieder ordentlich bremsten. Kurz vor der Sarner Scharte (2.460 m, 26,5 km) musste ich mich sogar für ein paar Minuten hinsetzen, verlor den Anschluss und in der Dunkelheit den Steig. Irgendwie ärgerlich, dass ich mir nicht Goretex-Schuhe angezogen hatte, da es teilweise sehr nass war. Vorläufiger Höhepunkt war der Villanderer Berg (2.5 m) bei Kilometer 27,5. Vorbei am Totenkirchl zur Rafuschgelalm setzte die Dämmerung ein. Ich wunderte mich noch, warum in der Dunkelheit die Lampen offensichtlich eine andere Route verfolgt hatten, bis mich ein Einheimischer aufklärte, dass da wohl einige ordentlich abgekürzt haben! 🙁 Es war mittlerweile 5:30 Uhr und ich schrieb ein SMS nach Hause, dass ich wahrscheinlich länger als geplant unterwegs sein werde. Beim Tippen schlief ich zweimal ein. Bis zur zweiten Labestation am Latzfonserkreuz (2.305 m, 40 km) zog es sich schon ziemlich… Dort angekommen verputzte ich einen Teller Nudeln mit Parmesan, füllte meine Wasserflaschen und bekam die zweite Luft. In der Morgensonne war die Müdigkeit nicht mehr so schlimm.
Meinem Gefühl nach konnte es jetzt doch nicht mehr so weit sein. Gestärkt lief ich weiter (es gab ein leichtes Gefälle :-)) Von der Fortschellscharte (2.299 m, 41,5 km) an zahlreichen Gipfeln, wie z.B. dem Plankenhorn (2.543 m), Gaishorn (2.514 m) und Schrotthorn (2.590 m), führt die Stecke langsam hinauf zum Tellerjoch (2.520 m, 47 km). Von hier aus kann man die nächste Labestation sehen, leider aber auch, dass man vorher noch steil hinab in eine Geröllhalde und dieselbe wieder steil hinauf muss, insgesamt doch 2 km.
Bei der Flaggerschartenhütte (2.480 m, 49 km) empfing uns ein Schild mit der freundlichen Aufschrift: „Noch 72 km bis zum Ziel.“ Zunächst verschlang ich aber gierig eine Nudelsuppe. Als ein Streckenposten einem Kollegen ein Coca Cola brachte, konnte ich auch nicht widerstehen. Mit dem lebensrettenden Getränk setzte ich mich auf einen Liegestuhl. 1,5 Stunden später wachte ich wieder auf. Ich war nicht der einzige, den der Schlaf übermannte. Vor mir lag ein Läufer am Boden und schnarchte vor sich hin, auch die restlichen Liegestühle waren besetzt. Ich füllte meine Wasserflaschen und machte mich wieder auf den Weg.
Von der Hörtlahner Scharte (2.605 m) fällt die Strecke gut 500 Höhenmeter ab. Ewig zieht sich der Steig über Schotter- und Geröll in ständigem Auf und Ab. Mittlerweile 14 Stunden unterwegs machte mir die Hitze immer mehr zu schaffen. Auch die anderen Läufer setzten sich immer wieder einmal hin, kaum dass eine Latsche oder ein Busch Schatten spendete. Irgendwie machte sich in mir der Gedanke ans Aussteigen breit. Die Temperatur schwankte zwischen 28° und 31° bei völliger Windstille. Hinter jeder Kurve vermutete ich das Penser Joch, allein es kam und kam nicht. Ich hatte inzwischen das Vertrauen in mein GPS verloren oder anders: die Hoffnung dass die Distanzmessung ein paar Kilometer ausgelassen hat.
Irgendwann keimte dann doch kur Freude auf, als die Strecke steil nach rechts hinauf abbog. Der Kollege vor mir rief herunter, ob er schon richtig sei, oder ob er eine Abzweigung verpasst hätte. Als ich antworten wollte, hatte ich keine Stimme. Ich war wohl etwas trocken. Es stellte sich heraus, dass es nun zum Niedereck (2.304 m) hinaufging. Verlockend plätschert ein Bach am Weg dorthin. Ein Italiener übergab sich hier zum wiederholten Mal. Am Niedereck angekommen sieht man, dass noch ein Anstieg bevorsteht, nämlich auf den Astenberg (2.367 m). Endlich ist das Penser Joch (2.211 m, 61 km) in Sicht. Nur noch zwei kleine aber eher schmerzhafte Anstiege auf den letzten Kilometern und ich sah schon meinen Vater mit dem Fotoapparat. Das Überlaufen der Zeitnehmung nach 15 Stunden und 44 Minuten fühlte sich wie ein Zieleinlauf an.
Überall lagen Läufer am Boden, teils schlafend, teils wach. Ich stürzte zwei Becher Cola hinunter und suchte mir ein schattiges Plätzchen. Mein Körper hatte sich schon vor Stunden entschieden, dass es für mich hier vorbei sein würde. Mein Geist zog langsam nach. Sowohl Ursula als auch mein Vater redeten mir zu, dass ich aussteigen sollte. Ausschlaggebend war aber, dass ein anderer Teilnehmer, mit dem ich eine Zeit lang gelaufen war, ebenfalls aufgab. Als Einheimischer wusste er nämlich, was noch vor uns gelegen hätte. Und hinter mir lagen ja auch schon 61 km mit (laut GPS) 4201 positiven Höhenmetern…
Zusammengefasst war das Südtirol Ultrarace eine wertvolle Erfahrung. Ich habe viel gelernt. Nächstes Jahr bin ich sicher wieder dabei! Und dann möchte ich ins Ziel.
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