Schon länger hatte ich mit Mats vereinbart, dass wir heuer noch eine ordentliche Schitour machen würden. Gestern nachmittag haben wir dann entschieden, dass heute der richtige Tag dafür sein sollte. Da wir sowieso früh aufstehen mussten und eine längere Anfahrt in Kauf nahmen, entschieden wir uns für den Großvenediger im Nationalpark Hohe Tauern. „Weltalte Majestät“ bezeichnete ihn Ignaz von Kürsinger, einer der Erstbesteiger. Wir entschieden uns für einen Aufstieg von Osten. Diese Seite des Großvenedigers mit Rainerhorn, Kristallwand, Schwarze Wand und Hoher Zaun bildet angeblich den schönsten Talabschluss der Ostalpen.
Geplant war, soweit als möglich mit dem Auto zu fahren und dann aufs Mountainbike zu wechseln. Wir starteten um 3:00 Uhr früh von Schwaz Richtung Felbertauern. Gleich nach der Tunnelausfahrt ging es nach rechts zum Matreier Tauernhaus (1.512 m). Hier mussten wir parken und richteten uns für eine Radtour her. Theoretisch sollte die Fahrt bis zum Winterweg zur Neuen Prager Hütte ca. eine 3/4 Std. dauern, aber schon nach gut 300 Metern erwartete uns die erste Lawine, die den Weg verlegte. Wacker trugen wir die Räder darüber, aber schon nach wenigen Metern kam das nächste Hindernis. Es stellte sich heraus, dass die Forststraße alle paar hundert Meter verschüttet war und auch sonst noch zu viel Schnee lag, um mit dem Rad zu fahren. Wir gaben aber erst in Außergschlöss (1.700 ) auf und schulterten die Schi, bis wir sie nach einigen Kehren endlich anziehen konnten…
Durch diese ungeplante Verzögerung verloren wir sicher eine Stunde und konnten erst gegen 7:00 Uhr mit dem eigentlichen Aufstieg beginnen. Dieser startet 1,5 km nach den Hütten von Innergschlöß (1.689 m) und führt nach links über den Schlatenbach zu einem mit Lärchen besetzten Geländerrücken. Hier trafen wir auf ein gut 60 Jahre altes Tourengeherpärchen, das sich als Ziel den Hohen Zaun ausgesucht hatte. Die ersten 300 hm waren etwas mühsam, da die Schneedecke nicht gefroren war. Wenigstens war der Hang lawinensicher.
Am Unteren Keesboden erblickten wir zum ersten Mal die Alte Prager Hütte (2.489 m); ab hier wurde das Gelände etwas leichter. Dafür begann der Gletscher und wir trennten uns von den beiden anderen Tourengehern. Es sollten bis zum Gipfel die letzten Menschen sein, die wir auf der Tour trafen. Wir gingen unter den Hängen gerade weiter, bis wir dann in vielen Serpentinen steil Richtung Neue Prager Hütte (2.796 m) aufstiegen. Da die Hütte ein Umweg gewesen wäre, hielten wir uns nach links. Die Geltscherkulisse rund um uns war gewaltig, vor allem die Kristallwand (3.329 m) mit dem mächtigen Gletscherbruch und ihrer noch mächtigeren Felswand haben mich fasziniert. Inzwischen waren wir auf Höhe der Neuen Prager Hütte und schon gut 4 Std. unterwegs, Zeit für eine Pause. Mats aß zwei Brote und weiter ging es. Wir hatten schon leichte Zweifel, da es doch schon relativ spät und der Gipfel noch nicht zu sehen war. Ursprünglich wollten wir spätestens mittags am Gipfel sein, durch die unfreiwillige Verzögerung würde sich das aber wohl nicht mehr spielen. Als Deadline setzten wir 13:00 Uhr fest. Nichtsdestotrotz stiegen wir zwischen dem Niederen Zaun (3.000 m) und einem kleinen Eisbruch stetig weiter Richtung Venedigerscharte.
Als der Hohe Zaun (3.451 m), die Schwarze Wand (3.503 m) und auch das Rainerhorn (3.559 m) nicht mehr viel höher waren als wir, sahen wir zum ersten Mal das Gipfelkreuz. Es war inzwischen 12:00 Uhr, doch nun gab es kein Zurück mehr. Über einen steilen Rücken rechts vom Kleinvenediger (3.471 m) folgten wir einer alten Spur. Am Gipfel sahen wir zwei weitere Tourengeher, die es schon geschafft hatten. Wir trafen sie am Gipfelgrat, wo wir ca. 20 Meter vor dem höchsten Punkt ein Schidepot errichteten. Die letzten Meter luftig zu Fuß hinüber und wir waren nach 7,5 Std. um 12:40 Uhr endlich am Großvenediger (3.666 m). Unter uns lagen gut 2.200 hm Aufstieg, die uns vor allem am Schluss das Letzte abverlangt hatten. Wir genossen die Einsamkeit am sonnigen Gipfel; wahrscheinlich ein unheimliches Glück, da normalerweise schon einige Leute auf diesen Berg steigen. Rund um (unter) uns erschloss sich ein herrliches Panorama mit unzähligen weißen Gipfeln; am Horizont konnten wir den Großglockner – ein nächstes Ziel? – erkennen. Wir packten unsere verbliebene Jause aus und schossen ein paar Fotos, bevor wir uns an die Abfahrt machten.
Die Sonne hatte inzwischen kräftig gearbeitet und der Schnee firnte auch auf über 3.000 Metern Seehöhe auf. Wir hatten es also langsam eilig über den spaltigen Gletscher und vor allem über den untersten Steilhang hinunter zu kommen. Bei der Abfahrt hielten wir uns an unsere Aufstiegsspur. Da wir keine Pause mehr machten, waren wir schon nach einer Stunde bei der Brücke über den Schlatenbach. Es war inzwischen 14;:0 Uhr und mit Grauen hatschten wir durch das vollkommen ebene Tal am Venedigerhaus vorbei zurück zu unseren Rädern nach Außergschlöss. Mats kämpfte bei der Schimontage am Rucksack noch ein bischen mit seiner Bindung, dann schoben/fuhren wir hinunter zum Tauernhaus das wir gegen 16:00 Uhr erreichten. Fix und fertig waren wir froh, dass wir in Mats Bus ein paar Radler und Bier eingekühlt hatten. 😀
Alles in allem eine wahnsinnstolle Schitour, wenn auch als Tagestour etwas lang.
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